Dora Thormählen

1892-Ende Dezember 1921, Kunstbuchbinderin

Tochter von Prof. Emil Thormählen und Else Thormählen, geb. Altenkirch, Schwester von Prof. Dr. Ludwig Thormaehlen und. Klaus Thormaehlen, Tante des Stifters

Leben
Dr. Christel Schmidt im Frankfurter Nachrichten und Intelligenzblatt 24.03.1922 über die:

Gedächtnisausstellung Dora Thormählen
Ende Dezember 1921, wurde die seit 1918 in Frankfurt wirkende Buchbindermeisterin Dora Thormaehlen plötzlich von heimtückischer Krankheit mitten aus schönstem Schaffen herausgerissen. Was wir an ihr verloren, zeigt die Auswahl ihrer Arbeiten, die im Kunstgewerbemuseum [4] zu einer kleinen Ausstellung vereinigt wurde. Ihre Werke überdauern sie und können auch denen, die ihre feine zarte Persönlichkeit im Leben nicht kannten, einen bleibenden Eindruck von ihrer künstlerischen Eigenart vermitteln.
Geboren wurde Dora Thormaehlen am 11. April 1891 in Hanau am Main; sie besuchte die Kunstgewerbeschule zu Magdeburg, dann Köln, wurde Buchbinderlehrling bei Meister Anton Foitz in Köln und bestand — immer daneben an der Kunstgewerbeschule sich auch künstlerisch weiterbildend — ihre Gesellenprüfung. Ein halbes Jahr Arbeit an der Hamburger Kunstgewerbeschule unter Franz Weisse eine kurze Gesellenzeit in der Kieler Universitätsbuchbinderei, entfernten sie von Köln, bis sie bald nach Kriegsbeginn dorthin zurückkehrte, um auf die Bitte ihres früheren Meisters, dessen Tätigkeit an der Kölner Schule während seines Kriegsdienstes vertretungsweise zu übernehmen. Im Sommer 1916 bestand Dora Thormaehlen als erste Buchbindermeisterin in Köln mit Auszeichnung die Meisterprüfung. Köln, Düsseldorf und Elberfeld blieben nebeneinander ihr Betätigungsfeld bis zum Sommer 1918. Dann wandte sie sich nach Frankfurt am Main und brachte so ihren lang gehegten Wunsch in Erfüllung: In eigener Werkstatt in persönlicher Verbindung mit dem Besteller Aufträge auszuführen, „nur Bestes und Wertvolles allein“.

Werk

Dr. Christel Schmidt im Frankfurter Nachrichten und Intelligenzblatt 24.03.1922:

Bestes und Wertvolles ist es wahrhaftig, was uns von ihr blieb. Jedem Stück spürt man die Liebe an, mit der es — in ausschließlicher Handarbeit — gefertigt wurde. Das einfachste Pappbändchen sogar erhielt sein handgeflochtenes Kapital, jedes farbige Vorsatz- und Deckelpapier wurde mit liebevollem Geschmack selbst hergestellt. Proben ihrer neueren Tunk- und Kleisterpapiere sind ebenfalls in der kleinen Ausstellung vertreten; In Farbzusammenstellungen wie in Mustern sind entzückende Dinge darunter. Für manche Bücher schuf sie wahre Gedichte von Einbandpapieren: Die vier Halblederbände von 1001 Nacht in der Fenster-Vitrine und manches andere der ausgestellten Stücke wären hier zu nennen. Ihr Streben ging stets dahin, das Äußere des Buches dem Inhalt möglichst anzupassen.
Wie bei den einfacheren Einbänden so hat man erst recht bei den Ganzlederbänden den Eindruck von etwas völlig in sich geschlossenem, einem wirklichen Kunstwerk. Und dabei: Was ist an ihnen? Eben nur: bestes Material, beste Arbeit und – sicherster Geschmack. Einzelne Beispiele zu nennen, würde zu weit führen, man muss das alles selbst sehen. Ornamente verwandte die Meisterin nur sparsam, gerade in dieser Beschränkung zeigt sich ihr Können. Reicher vergoldete Bände und weiche Schweinslederbände mit Blindpressung, wohl in der Hamburger Zeit entstanden, zeigen noch nicht ihren persönlichen Stil. Die Stempel für diese frühen Sachen hat sie zum Teil selbst in Metall geschnitten. Dann ging sie mehr und mehr dazu über, Rücken- und Deckelschmuck in präzisester Vergolde-Arbeit allein mit geraden und gebogenen feinen Goldlinien zu bestreiten. Ein aus solchen Bogenstücken zusammengesetztes Signet auf dem Deckel sieht höchst einfach aus, aber welche Mühe und Arbeit steckt darin! Andere Bände zeigen nur schlichte Deckel – und Rückenfeldrahmung, dazu den Titel oder ein Wappen auf der Vorderseite.
Ihre jüngsten Arbeiten: Geldscheintaschen in Leder mit Pergamenteinfassung, Besuchskartentäfelchen, verschiedenfarbige Zigarettenetuis, wirken fast nur durch das Material und die Güte der Ausführung. Die Täschchen in Seide mit Goldlinien und eingestickten bunten Seidenspritzern, Seidenbände, die verschiedensten Pappkästen – für Streichhölzer, Papierservierten, usw. – die Buckkapseln und -hüllen, alles offenbart den schönsten Farbsinn. Vom Einfachsten bis zum Kostbarsten: Überall die gleich liebevolle, durchweg meisterhafte Ausführung. Dora Thormaehlen war wirklich eine Meisterin in ihrem Fach; was hätte sie noch alles schaffen können.

Exemplarisch: Künstlerischer Einband des folgenden Buches:
Schiller, Friedrich von: Das Lied von der Glocke

Nr. 47. Offenbach: Rudolfinische Drucke, 1919. 8°. Siebenter Rudolfinischer Druck, gedruckt von R. Koch und R. Gerstung bei W. Gerstung. Aufl. 100 nummerierte Exemplare, dieses trägt die Nr. 47. Sign. Ro 247. Bemalter Ganzpergamentband, nicht vor 1919. Werkstatt: Dora Thormählen, Weimar. Bemalter Ganzpergamentband auf vier durchgezogenen Pergamentriemchen von Dora Thormählen, signiert auf hinterem Spiegel. Vier farbige Eckfleurons und ein Mittelstück auf dem Vorderdeckel und ein kleines Mittelstück auf dem Hinterdeckel. Beide Deckel mit Rahmen aus Goldfilete. Stoßkanten am Vorderschnitt. Kopfgoldschnitt, sonst ebarbiert. Handgestochene Kapitale in gelb und weiß. Marmorpapier in gelb, rot, schwarz, hellblau und weiß als kaschierte, fliegende Blätter und Spiegel. Dora Thormählen (1892-1921) war eine Meisterschülerin von Franz Weisse und die Schwester des Bildhauers Ludwig Thormaelen. Für das vorliegende Buch sind zwei weitere Einbandausführungen in dunklem Leder mit Goldprägung von ihr bekannt. [1]

Nr. 60. Offenbach a. M., Gerstung 1919. 3 (w) Bll; 24 Bll; 1 Bl; 2 (w) Bll. Signierter („Thormählen“), rundgenarbter Ganzmaroquinband über vier Bünden, mit Goldprägung auf Rücken und Deckeln. (22,7 x 15 cm) Gr.8°. Rodenberg S. 125, 7. Schauer II, 32. Vergl. Tenschert, Katalog XI, Pressendrucke I, 344 (m. Abb.) „Im August des Jahres 1919 wurde dieses siebente Buch der Rudolfinischen Drucke in gemeinsamer Arbeit von Rudolf Koch und Rudolf Gerstung gedruckt bei Wilh. Gerstung, alle in Offenbach am Main. Von den 100 Stück, die in den Handel gebracht wurden, erhielt diese Buch die Nummer [in Rot eingeschrieben] 60“. Der Druckvermerk in Rot monogrammiert „RK“ und auf „1921“ datiert. „Im Mittelgrad der Kochschen Maximilian-Fraktur [Maximilian-Gotisch, lt. Schauer] gedruckt. Mit 32 gemalten farbigen Initialen von Rudolf Koch. Der Ledereinband ist entworfen und ausgeführt von + Dora Thormählen.“ (Rodenberg a.a.O.) Die Titelvignette und einiger Zierrat ebenfalls farbig von Hand eingemalt. Der Einband ähnlich dem bei Tenschert abgebildeten, hier allerdings braunes, rundnarbiges Maroquin über vier erhabenen Bünden, mit Deckel- und Rückenvergoldung, die Verzierung der Bünde auf dem Rücken läuft auf den Deckeln aus. In weiten Teilen des Rückens und etwas am hinteren Deckel stärker aufgehellt, am oberen Kapital minimal bestoßen. am vorderen Außengelenk etwas berieben. „Thormählen“ signiert, Dora Thormählen war lt. Tenschert Meisterschülerin von Franz Weiße, starb allerdings wohl sehr früh. Die Innenbordüren mit von doppelten Goldfileten gerahmter, intarsierten gelben Streifen. Kopfgoldschnitt. Marmorierte Innenspiegel und fliegende Vorsätze, diese mit etwas Abklatsch der Bordüren. Handumstochene Kapitale. Auf zweiseitig unbeschnittenem Bütten, die unbeschnittenen Ränder etwas gebräunt. [2]

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Foto: (c) Sigi Lustenberger, Frankfurt am Main

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Foto: (c) Sigi Lustenberger, Frankfurt am Main

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Foto: (c) Sigi Lustenberger, Frankfurt am Main

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Foto: (c) Sigi Lustenberger, Frankfurt am Main

Weblinks
[1] Arbeitskreis für die Erfassung, Erschliessung und Erhaltung historischer Bucheinbände, Von der Goldenen Bulle zur Ernst Ludwig Presse, Einbände aus sieben Jahrhunderten in den Sammlungen der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt. Handreichung zur Ausstellung. Darmstadt 2015. S. 98 (link zuletzt aufgerufen am 23.10.2015)

[4] Museum Angewandte Kunst (Frankfurt am Main) – Wikipedia

Literatur
Tenschert, Heribert: Pressendrucke I. Katalog XI. Rotthalmünster 1981. Pos. 344.

[2] (c) Heinrich Heine Antiquariat Lustenberger & Schäfer oHG (heineantiquariat.de), Düsseldorf: Das Buch als Gesamtkunstwerk II, 115.

[3] Weisse, Franz: Die Kunst des Marmorierens oder die Herstellung von Buchbinder-Buntpapieren mit Wasserfarben.  Hettler, Stuttgart, 1940.