Der vergessene Weinberg

Geschichte: Der “Belz” galt einst als gute Lage der Stadt / Nun verwittern seine kunstvoll gemauerten  Terrassen

Von Norbert Neuber

(Dieser Artikel erschien in der Rhein Main Presse am 24. April 2015 [1])

Bad Kreuznach. Jeder Kreuznacher kennt eine der besten Weinlagen der Stadt – nur ist sich wohl kaum einer dieser Tatsache bewusst. Denn wer auf der Roseninsel promeniert oder über den Nachtigallenweg schlendert, der sieht den Wingert vor lauter Bäumen nicht. Der gesamte Hang zwischen Quellenhof und etwa der Hälfte des Nachtigallenwegs war einst eine der besten Lagen der Stadt. Sie hieß “Im Belz”. Wer genau hinschaut, sieht die Terrassenmauern aus Bruchsteinen noch. Sie verfallen langsam, werden überwuchert, setzen Moos an. Wein wächst hier nicht mehr.

 

“Vorzügliches Gewächs”

Das war bis in die Zeiten des Wirtschaftswunders noch anders. In Wein-Fachbüchern des 19. Jahrhunderts wurde der “Belz” noch als eine der besten Weinlagen neben dem benachbarten Kauzenberg und dem Brückes gehandelt. So schrieb Wilhelm Hamm (“Das Weinbuch”, 1874): “Die vorzüglichsten Gewächse sind in Kreuznach: Kauzenberg, Belz, Kalenberg, Brückes.” Benedikt Hölges bestätigte diese Einschätzung: “Die beste Lage in Kreznach ist der Schloß- oder Kautzenberg, dann folgt der Belz, der Brückes, Kahlenberg.” (“Vollständiges Handbuch der deutschen Wincultur”, 1837). Zur damaligen Zeit war der “Belz”, der heute im städtischen Besitz und als Verlängerung der städtischen “Hardt” vollkommen bewaldet ist, Eigentum einer in Kreuznach sehr angesehenen Familie. Der Gründer des Kurbades, Johann, Erhard Prieger, besaß hier 10,5 Hektar (10.500 qm), die sich auf die Lagen “Kauzenberg”, und “Belz” verteilten. Die Priegers wohnten seinerzeit in der “Königsallee” (heute Badeallee). Tochter Elise beschrieb, dass die gesamte Priegersche Kinderschar zur Lese in den Hang zog.

Von Priegers Sohn Heinrich ging die Lage an dessen Sohn Ernst. Der verkaufte sie im Jahre 1899 an den Kreuznacher Weinhändler Cristian Ferdinand Eccardt, dessen Hauptsitz seiner Firma (Anm. Klosterkellerei C.F. Eccardt ) in der Salinenstraße lag (heute Volksbank). Wie es weiterging ist schwierig zu rekonstruieren. Es kam in der Folge zu einer Übernahme durch das Kreuznacher Weingut Carl Finkenauer – wann genau ist nicht bekannt. Das Weingut befindet sich derzeit im Besitz von Egbert Graf von Plettenberg, und der weiß auch nicht so genau, warum es zu einer Aufgabe der Bewirtschaftung der Lage “Im Belz” gekommen ist. Er habe nur gehört, dass Finkenauer die Flächen an die Stadt verkauft habe und darüber ziemlich froh gewesen sein soll.

 

Plettenberg: “Super Lage”

Denn die Bewirtschaftung des steilen Hangs ist aufwändig. “Das ist mit Sicherheit eine super Lage”, so die Einschätzung Plettenbergs. “Die Sonne scheint drauf, der Boden ist steinig, nachts wird die Wärme wieder abgegeben. Aber ehrlich gesagt: ich will da nicht arbeiten.” Solche Steillagen seien allenfalls etwas für Enthusiasten – aber da scheine ihm der kurzzeitige Hype, also die Mode, solche schweren Steillagen wieder aufwändig zu bewirtschaften, wieder im Abnehmen begriffen zu sein. Im Besitz der Plettenbergs befindet sich aber noch die flache Lage oberhalb des Steilhangs, die früher zum “Belz” gehörte und heute als “Kauzenberg” oder “Schlossberg” vermarktet wird. Dort baue er Spätburgunder an. Mit dem “Belz” Belz als Weinlage habe er nie etwas zu tun gehabt – nur das alte “Finkenauer”-Schild habe er vor zwei Jahren entfernt, weil die Sockel morsch geworden waren. Er wollte sichergehen, dass es nicht umstürzt und möglicherweise Menschen verletzt. Denn die verwitterten Terrassen im Wald dienen so manchem Liebespäärchen als Ort für ein Schäferstündchen. In erster Linie dient das dornige Gehölz allerdings Wildschweinen als Revier. Die Historie der Weinlage “Im Belz” ist zwar abgeschlossen, doch sie entwickelte sich über Jahrhunderte. Erstmals erwähnt wurde der “Belz” nämlich im Jahre 1203 – und zwar explizit als Weinlage.

 

1566 aufgelöst

Damals gingen “fünf Morgen Weinlage im Belz” als Schenkung des Ritters Gernod von Bosenheim in den Besitz des Kosters St. Peter über (Eduard Schneegans, 1839). Das Kloster befand sichh dort, wo heute der Oranienpark liegt. Es wurde 1566 aufgelöst.

Der Stadthistoriker Karl Geib ging der Herkunft der Flurbezeichnung “Im Belz” 1937 auf den Grund. Er zitiert die Schätzungsprotokolle aus dem Jahre 1721: Ihnen zu Folge habe der Belz “zu den Weingarthen guter Laag” gehört. “Belz”, so Geib weiter, bedeute so viel wie “Gebüsch”. Also ist es offenkundig so: Der “Belz” hat nach seinem Jahrhunderte währenden Weinlagen-Intermezzo seine ursprüngliche Gestalt wieder angenommen.

Weblinks
http://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/bad-kreuznach/stadt-bad-kreuznach/der-vergessene-weinberg-in-bad-kreuznach_15253531.htm